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Ordnungsamt Herrenberg sieht keine Beeinträchtigung durch sog. Antifa

Abb.

Auf meinen offenen Brief vom 24. Januar an den Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Herrenberg (im Nachgang zu Störungen einer AfD-Kundgebung durch Gegendemonstrationen) habe ich am Dienstag, den 25. Januar nachfolgende Antwort von ihm erhalten. Unter dem (vollständigen) Zitat finden Sie meinen persönlichen Kommentar.

Zitat:

Sehr geehrter Herr Tolzin,

wie Sie korrekt festgestellt haben, fand am Sonntag, 23.01.2022, auf dem Stadthallenplatz in Herrenberg eine Kundgebung der AfD mit prominenten Sprechern und mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Ebenso korrekt ist die Feststellung, dass in unmittelbarer Nähe Gegenkundgebungen stattgefunden haben: Zum einen eine korrekt angemeldete Gegen-demonstration der Antifaschistischen Aktion (Antifa), ebenfalls mit mehreren hundert Personen und außerdem – unabhängig davon - eine durch das Bündnis „Herrenberg bleibt bunt“ ebenfalls korrekt angemeldete Kundgebung in Form einer Menschenkette entlang des Seeländerplatzes, der Seestraße und teilweise auch der Zeppelinstraße.

Nicht korrekt ist dagegen die Aussage, dass die Stadt Herrenberg diese Gegendemonstrationen genehmigt und damit das Recht der AfD unterlaufen habe, ihre Kundgebung ungestört durchführen zu dürfen. Denn für die Durchführung solcher Versammlungen (zu denen auch die Gegendemonstrationen gehören), die durchweg unter den Schutzbereich des Art. 8 des Grundgesetzes fallen, ist überhaupt keine Genehmigung erforderlich. Diese Anmeldungen werden lediglich bestätigt, wobei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und – konkret bei Gegendemonstrationen – auch Auflagen zum Schutz der zunächst angemeldeten Kundgebung zulässig und teilweise auch notwendig sind. Davon hat die Stadt Herrenberg in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.

Hier wiederum ist zu beachten, dass das Stattfinden einer Gegendemonstration als solches zunächst einmal weder als unfriedlich einzustufen ist, noch eine Gefahr darstellt. „Versammlungsfreiheit bedeutet nicht, dass die Versammelnden völlige Freiheit von beeinträchtigenden Umständen oder Handlungen Dritter beanspruchen können“ (zitiert aus „Zur Beschränkung einer Gegendemonstration“ – Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, WD 3 – 3000 – 082/19 mit weiteren Fundstellen). Vielmehr ist es auch Aufgabe der Versammlungsbehörde (hier also der Stadt Herrenberg), „den Gegendemonstranten zu ermöglichen, ihren Protest den Teilnehmern der Ausgangsveranstaltung zur Kenntnis zu bringen“ (ebenfalls zitiert aus „Zur Beschränkung einer Gegendemonstration“ a.a.O., mit weiteren Fundstellen). Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Gegendemonstration das ausdrücklich Recht hat, von der Versammlung, gegen die sich ihr Protest richtet, wahrgenommen zu werden und auch diese selbst wahrnehmen zu können. Eine Auflage, die Gegendemonstrationen an Orte zu verbannen, an denen eine Einwirkung auf die AfD- Kundgebung oder die Wahrnehmung der Gegendemonstranten durch die ursprüngliche Kundgebung und die dort Teilnehmenden nicht möglich gewesen wäre oder eine Verlegung der Gegenkundgebungen auf andere Zeiten mit demselben Ziel, wäre also rechtswidrig gewesen.

Selbstverständlich muss aber gewährleistet sein, dass die ursprünglich angemeldete Kundgebung weder vereitelt oder verhindert werden kann, noch dass sie unzumutbar gestört und dadurch in ihrem ordnungsgemäßen Ablauf beeinträchtigt wird. Dem wurde sowohl durch die Wahl der Aufstellungsorte der Gegendemonstrationen, als auch durch Auflagen und deren Überwachung Rechnung getragen. Das gilt auch für die Menschenkette, die (ebenso wie die anderen Versammlungen) unter anderem die Auflage hatte, die Verkehrswege, sowie Zu- und Ausgänge freizuhalten und Passanten nicht zu behindern oder zu belästigen. Dies wurde von den Teilnehmenden dieser Versammlung, nach unsrer Kenntnis, auch eingehalten.  

Allen Versammlungen gemeinsam war, dass erheblich mehr Personen kamen, als von den jeweiligen Veranstaltern angemeldet worden waren. Das gilt für die AfD (gemeldet waren ca. 200) ebenso, wie für die Antifa (gemeldet ca. 50 Personen) und Herrenberg bleibt bunt (gemeldet ca. 200 Personen).

Dies hat jedoch zu keinem Zeitpunkt dazu geführt, dass die Kundgebung der AfD verhindert, unterbrochen oder unzumutbar gestört wurde. Das schließt nicht aus, dass es dennoch zu einzelnen Störungen oder Belästigungen gekommen sein kann. Aber: „Versammlungen werden danach nicht schon dadurch unfriedlich, dass durch sie oder auf ihnen gegen die Rechtsordnung verstoßen wird“ (ebenfalls zitiert aus „Zur Beschränkung einer Gegendemonstration“ a.a.O., mit weiteren Fund-stellen). Dabei sind Störungen der zunächst angemeldeten Kundgebung durch die Gegendemonstranten grundsätzlich hinzunehmen, solange die relevante Eingriffsschwelle nicht überschritten wird. Dies war hinsichtlich der Lautstärke weitestgehend erfüllt. Lärmmessungen durch die Versammlungsbehörde ergaben fast durchweg Werte im zulässigen Bereich. Im Einzelfall wurde den Verantwortlichen der Antifa aufgegeben, die Lautsprecher den Auflagen gemäß auszurichten (von der AfD- Kundgebung weg) und für den Fall der weiteren Zuwiderhandlung unmittelbarer Zwang angedroht. Dies wurde jeweils befolgt. Auch von Seiten der Verantwortlichen der AfD- Kundgebung gab es insoweit keine Beanstandungen.

Auf Grund der Vielzahl der Gegendemonstranten musste sowohl die Versammlungsfläche der Antifa  als auch die der Versammlung „Herrenberg bleibt bunt“ vergrößert werden. Dies war erforderlich, um auch den zusätzlich erschienenen Personen die Wahrnehmung ihrer Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und Meinungskundgabe zu ermöglichen. Hierbei wurden alle hierfür relevanter Faktoren abgewogen. Die neu festgelegte Begrenzung wurde an die Versammlungs-teilnehmer kommuniziert und durch die Polizei innerhalb kurzer Zeit mittels Fahrzeugen deutlich dargestellt. Die außerhalb befindlichen Personen wurden aufgefordert, in diesen Bereich zu verlegen, was diese auch taten.

Dass ein Teil der Gegendemonstranten den zugewiesenen Versammlungsbereich nicht beachtete und versuchte, die AfD- Kundgebung zu stören, ggf. zu blockieren, stellte einen Verstoß gegen die versammlungsrechtlichen Auflagen dar und wurde durch Polizeikräfte unterbunden. Die Störungen wurden durch die Polizei schnellst möglich beseitigt, festgestellte Straftatbestände werden durch die Polizei verfolgt. Zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Versammlung der AfD kam es zu keiner Zeit, der Zugang zumindest durch eine der vier Einlassstellen war jederzeit möglich. Ein Durch-schreiten der Versammlungsfläche der Antifa war hierzu zu keinem Zeitpunkt erforderlich, diese konnte jederzeit ohne wesentlichen Umweg umgangen werden. Weiterhin bestand jederzeit die Möglichkeit vor Ort, evtl. Straftaten der Polizei anzuzeigen und die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Die Bescheide mit denen die Versammlungsanmeldungen bestätigt und Auflagen erteilt worden sind, wurden vom Ordnungsamt der Stadt Herrenberg in Abstimmung mit der Verwaltungsspitze und der Polizei (Polizeipräsidium Ludwigsburg) erlassen.

Mit freundlichen Grüßen 
Dieter Bäuerle
Stadtverwaltung Herrenberg

Ordnungsamt
Kirchgasse 2
71083 Herrenberg

Zitatende

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Kommentar von Hans U. P. Tolzin

Das Ordnungsamt der Stadt Herrenberg sieht also keinerlei Veranlassung, von einer Nötigung der Kundgebungsteilnehmer auszugehen. Wenn überhaupt, seien es nur Einzelfälle gewesen.

Das Recht der Antifa und anderer Gegendemonstranten, in einer eigenen Versammlung die AfD-Kundgebung zu stören, wird von Herrn Bäuerle, dem Chef des Ordnungsamtes, von der Tendenz her verabsolutiert.

Selbstverständlich - das ist ja auch meine Meinung - haben Personen mit einer anderen politischen Meinung als die Mitglieder der AfD in einem Rechtsstaat und einer Demokratie das Recht und die Freiheit, ihre Meinung öffentlich zu äußern. Andererseits haben auch die Mitglieder und Interessenten anderer politischer Gruppierungen das Recht, sich ungestört öffentlich zu präsentieren.

Dies wird von Herrn Bäuerle auch nicht bestritten. Die Differenz besteht wohl eher in der Definition, was als Beeinträchtigung der Grundrechte anzusehen ist und was nicht.

Die Grundregeln für ein harmonisches - oder zumindest friedliches - Zusammenleben in jeder kleinen wie auch großen Gemeinschaft bestehen aus nur zwei Punkten.:

  1. "Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu."
  2. "Meine Freiheit endet dort, wie die Freiheit des Nächsten beginnt"

Ich gehe davon aus, dass die meisten Anhänger der Ampel-Koalition ihre eigenen politische Meinung gerne ungestört durch Pöbeleien, Drohungen oder gar Gewaltanwendung öffentlich ausdrücken möchten.

Dieses Recht auf ungestörte öffentliche Versammlungen muss deshalb zwingend auch für die politische Opposition gelten. Die Freiheit der regierungsnahen Gegendemonstranten, ihre eigene politische Meinung öffentlich zu äußern, endet somit dort, wo die Freiheit der politischen Opposition, sich ungestört zu versammeln, beginnt.

In einer echten Demokratie würden die staatlichen Stellen peinlichst darauf achten, dass jegliche friedliche politische Opposition sich ungestört durch Pöbeleien öffentlich versammeln kann.

In einer echten Demokratie würden diese staatlichen Stellen Klagen über Pöbeleien und Einschüchterung durch regierungsnahe Gegendemonstranten sehr sehr ernst nehmen. Denn es gilt ja, "den Anfängen zu wehren".

Und die Anfänge einer jeglichen Diktatur, von internationalsozialistisch bis nationalsozialistisch, äußern sich darin, die demokratische Opposition systematisch durch Lautstärke und Drohgebärden einzuschüchtern.

Und die demokratische Opposition besteht ja in der Regel aus Menschen, die mit Gewalt rein gar nichts am Hut haben und sich entsprechend relativ leicht einschüchtern lassen.

Befinden wir uns also noch in einer echten Demokratie?

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland eine spürbare Tendenz, jegliche demokratische Opposition zur offiziellen Regierungspolitik, als "rechts", "rechtsextrem" oder als "Nazis" zu brandmarken und einzuschüchtern.

Dabei wenden sie selbst Methoden an, die typisch für faschistische und sozialistische Diktatoren sind. Die sogenannte Antifa z. B. wird, wie Berichte nahelegen, zumindest teilweise von staatlichen Stellen finanziert, ihre Gegen-Demonstranten sollten oftmals sogar Geld für ihr Auftreten erhalten. Wer das nicht glaubt, kann gerne einmal die Internet-Suchmaschinen in Anspruch nehmen.

Dies ist eine äußerst bedenkliche Tendenz, wenn auch nicht ganz neu. Ähnliches habe ich bereits in den 1990er Jahren im Zusammenhang mit den Republikanern beobachtet.

Herr Bäuerle vom Ordnungsamt ist sicherlich nicht direkt für die Nötigungen und Störungen durch die Gegendemonstranten verantwortlich zu machen. Allerdings halte ich es für Beihilfe zur Nötigung, wenn solchen potentiell gewaltbereiten Gegendemonstranten wie die von der sogenannten Antifa direkt neben einer Kundgebung der Opposition eine Versammlung zugestanden wird.

"Wehret den Anfängen" einer neuen Diktatur, in der die Grundrechte mit Füßen getreten werden, würde meiner Ansicht nach hier bedeuten, Gegenkundgebungen direkt neben den Kundgebungen der demokratischen Opposition zu unterbinden.

Herr Bäuerle und die ihn unterstützenden Funktionäre der Stadt Herrenberg lassen ein entsprechendes demokratisches Feingefühl vermissen.

Ich muss also als frisch gebackenes Mitglied der Partei dieBasis, die ja ebenfalls der demokratischen Opposition zuzurechnen ist, damit rechnen, dass ich es bei einer öffentlichen Versammlung der Partei in Herrenberg ebenfalls mit Nötigung und Störungen durch regierungs - und bürgermeisternahe - Gegendemonstranten zu tun bekomme.

Die Einschüchterung der regierungskritischen Opposition hat in Deutschland ganz offensichtlich System. Wer in der Demokratie schläft, wacht möglicherweise in der Diktatur auf. Die Farbe dieser Diktatur, rot, braun, grün, schwarz oder blau, ist mir dabei völlig wurscht.

"Wehret den Anfängen" bedeutet in diesem Zusammenhang als ersten Schritt, nicht mehr dazu zu schweigen.

Wenn Sie zu den Betroffenen der Veranstaltung oder ähnlicher Veranstaltungen gehören, können Sie z. B. Folgendes tun:

  • Leserbriefe an die lokale Presse schreiben
  • Ordnungsämter und Bürgermeister zur Stellungnahme auffordern
  • Kommunale Verantwortliche öffentlich benennen
  • ggf. Strafanzeigen gegen unbekannt, Gegendemo-Versammlungsleiter oder kommunale Verantwortliche erstatten

Dabei geht es nicht darum, damit äußerlichen Erfolg zu haben. Es geht zunächst einfach nur darum, nicht mehr zu den schweigenden Lämmern zu gehören, sondern seine Stimme zu erheben.

Möglicherweise wird dies nicht reichen, nämlich dann, wenn die oben gestellte Frage, ob wir (noch) in einer echten Demokratie leben, mit einem "nein" beantwortet werden muss.

Dann gilt es, die eigenen Ängste, die uns lähmen, zu überwinden und mutig zu handeln. Was immer das für den Einzelnen auch bedeuten mag.