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Hat die Einschüchterung von oppositionellen Kundgebungsteilnehmern System?

Abb.

Nach einer von Gegendemonstranten massiv gestörten Kundgebung der AfD in Herrenberg schrieb der ortsansässige freie Journalist Hans U. P. Tolzin nachfolgenden offenen Brief an das zuständige Ordnungsamt.

Von: hans@tolzin.com <hans@tolzin.com>
Gesendet: Montag, 24. Januar 2022 14:00
An: 'd.baeuerle@herrenberg.de' <d.baeuerle@herrenberg.de>
Betreff: Presseanfrage zur AfD-Kundgebung in Herrenberg am 23. Jan. 2022

Sehr geehrter Herr Bäuerle,

ich schreibe Sie in Ihrer Eigenschaft als Chef des Ordnungsamtes der Stadt Herrenberg an.

Gestern, Sonntag, den 23. Jan. 2022, fand eine Kundgebung der AfD mit prominenten Sprechern auf dem Parkplatz der Stadthalle statt. An dieser Kundgebung nahmen mehrere hundert Personen teil.

Ich war als Pressevertreter anwesend und habe Aufnahmen gemacht. Direkt neben der AfD-Kundgebung gab es eine Gegenkundgebung, ebenfalls mit hunderten von Teilnehmern. Diese versuchten lautstark, die AfD-Kundgebung zu stören, zu übertönen, versperrten rechtswidrig Straßen und Fußgängerwege und bedrohten Menschen, die an der Kundgebung teilnehmen wollten. Wer zur eigentlichen Kundgebung wollte, musste ein regelrechtes Spießrutenlaufen absolvieren.

Man mag die Ziele oder die Führungspersönlichkeiten der AfD nicht mögen, und ich selbst bin auch kein Mitglied der Partei, aber es handelt sich ja um eine in Deutschland zugelassene Partei, die im Bundestag und in vielen weiteren Parlamenten vertreten ist und sich ausdrücklich auf das Grundgesetz beruft – das meiner Ansicht nach in Deutschland noch gültig ist (sollte das nicht mehr der Fall sein, bitte ich um entsprechende Belehrung) - und Millionen von Wählern vertritt.

Nun verstehe ich das Grundgesetz so, dass jeder, der eine politische Meinung vertritt und diese auf einer öffentlichen Versammlung vertreten will, dieses auch ungestört und tun darf. Ohne Spießrutenlaufen, Bedrohung durch potentiell gewaltbereite Andersdenkende und Übertönen der Kundgebungs-Redner. Die staatlichen Ordnungskräfte haben dies mit angemessenen Maßnahmen sicherzustellen, ggf. auch durch Anwendung von Gewalt, wenn Apelle an die Vernunft und Toleranz und die verbale Androhung von Gewalt nichts mehr nutzen.

Dies hat die Stadt Herrenberg durch die Genehmigung einer Gegendemonstration direkt neben der eigentlichen Kundgebung unterlaufen. Ich habe das Verhalten der Gegendemonstranten als Nötigung wahrgenommen und wurde auch persönlich (verbal) bedroht und als Nazi beschimpft, als ich auf dem Weg zur Kundgebung war.

Eines der Protestschilder der Gegendemonstranten forderte gar „Nazis töten“. Andere Banner identifizierten die Mitglieder der AfD als Nazis. Das stellt eine potentielle Bedrohung für Leib und Leben der AfD-Mitglieder und aller Personen dar, die an der Kundgebung teilnehmen wollten. Ist dies im Sinne der Stadt Herrenberg und seines Ordnungsamtes?

Ich erwäge, rechtlich gegen diese Verletzung der Versammlungs-, Meinungs- und Redefreiheit vorzugehen und bitte Sie hiermit um Auskunft, wer namentlich für die Genehmigung der Gegendemonstration direkt neben der AfD-Kundgebung verantwortlich ist bzw. diese unterzeichnet hat.

Diese Auskunft erbitte ich bis spätestens einschließlich Donnerstag, den 27. Jan. 2022.

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich dieses Schreiben veröffentlichen werde.

Mit freundlichen Grüßen
Hans U. P. Tolzin
Unabhängiger Journalist
Widdersteinstr. 8
71083 Herrenberg
Fon 07032 784 8491
Fax 07032 784 8492
hans@tolzin.com

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Bericht eines Betroffenen:
 

Sehr geehrter Herr Tolzin, mit meiner Frau (parteilos) war ich auf dem Weg zur Stadthalle um die genehmigte Demo der AfD zu besuchen.
 

Was für ein Spießrutenlaufen. Der direkte Weg war durch Längsabsperrungen (Trassenbänder und Personenreihen) entlang beiderseits der Strasse, (die zu überqueren war), m. E. nach widerrechtlich unterbunden. Nur mit entschlossenem Handeln und damit der Gefahr ausgesetzt zu sein, beleidigt und behindert zu werden, konnten wir die Fahrbahn überqueren.
 

Da waren wir dann an der Stelle, wo wir in Richtung Stadthalle voll in die Gegendemo kamen. Der Zugang zur Stadthalle war aus dieser Richtung abgesperrt. Polizisten wiesen uns 2x in unterschiedliche (falsche) Richtungen, bis wir uns dann entgegen diesen "Empfehlungen" quer über die Wiesen und Parkplätze auf die andere Seite durchschlugen, quer durch die vermummten Antifa`s.
 

Für uns über 70-jährige, die gegen eine Impflicht mit nur bedingt zugelassenen Stoffe sind, und im Interesse für unsere Enkelkinder unterwegs waren, ist es absolut nicht nachvollziehbar, welch offensichtliche und überwiegend beleidigende Intoleranz von den sogenannten Herrenberger Bürgern" hier zur Schau gestellt wurde.

Nachdem ich von  Ihre Zeilen an die Herrenberger Verwaltung hörte , habe ich mir gedacht: "Gott sei Dank gibt es auch noch kritische Mitbürger, die nicht alles klaglos als gottgegeben hinnehmen, was durch die Anordnungen der Verwaltungen und  ihre (offiziell nicht) indirekte Unterstützung,  alles zulassen."

Deshalb ein Dankeschön an Sie Herr Tolzin. Mit freundlichen Grüßen. E.H.

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Leserbrief:

Sehr geehrter Herr Tolzin, mit Ihrem öffentlichen Brief sprechen Sie sicherlich vielen Menschen aus dem Herzen. Auch ich habe schon vor Jahren ähnliches im Rems-Murr-Kreis erleben müssen.

Man muss sich schon fragen, wie es möglich ist, dass Reden und  Veranstaltung der Altparteien nicht mit solchen Chaoten gestört werden.

Auf welcher Seite sind also die Aggressiven? Danke für Ihren Mut, den man leider heutzutage benötigt, um solche Missstände aus- und anzusprechen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Mut für Ihre Tätigkeit. Mit freundlichen Grüßen, I. W.

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